Der Neubau der Kunsthalle und die riesige Baustelle hat nun knapp 3 Jahre zum Bild der Stadt rund um den Wasserturm gehört. Jedes Mal, wenn ich an der Kunsthalle vorbeilief, gab es einen kleinen sichtbaren Baufortschritt: mal war der Rohbau fertig, dann wurden plötzlich die riesigen Fenster angeliefert, schließlich wurde die bronzefarbene Fassade angebracht. Kaum zu glauben, aber heute ist es endlich soweit: die neue Kunsthalle feiert ihre große Eröffnung mit einem vielseitigen Spezialprogramm.
Schon im Dezember 2017 durften wir einen Blick in den Neubau werfen, allerdings hatte das Gebäude hier noch den klassischen Charme eines Neubaus: die Kunstwerke und somit die Herzstücke fehlten, alles roch noch nach neu und die Räume konnten ohne die Kunstwerke nur ein Bruchteil ihrer Wirkung entfalten. Umso mehr habe ich der „richtigen“ Eröffnung entgegen gefiebert. Letzten Samstag durften wir gemeinsam mit anderen Bloggern aus ganz Europa beim Pre-Opening einen ausgiebigen Blick in die neue Kunsthalle werfen und konnten auch an Führungen zu verschiedenen Themen teilnehmen.
Was viele nicht wissen: die Kunsthalle Mannheim ist kunsthistorisch von enormer Bedeutung. Die erste offizielle Ausstellung der neuen Sachlichkeit wurde hier 1925 von Direktor Gustav Friedrich Hartlaub eröffnet. Zudem verfügt die Kunsthalle über eine bemerkenswerte Sammlung, darunter Edourad Manets Werk „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“, aber auch bedeutende zeitgenössische Werke von Anselm Kiefer oder Francis Bacon.
Der Neubau war den Beteiligten einiges Wert: auf 13.000 m² Nutzfläche mit einem Tageslicht-Atrium von ca. 700 m² und 22 Metern Höhe wird nun Kunst in sieben Kuben ausgestellt. Die Kuben, also quadratisch angeordnete Räume, erinnern an – natürlich, was sonst – die Quadratestadt Mannheim. Daher kommt auch das architektonische Prinzip der „Stadt in der Stadt“, auf das die Kunsthalle großen Wert legt und das meiner Meinung nach sehr gelungen ist.
Doch so viel zu den Fakten. Denn das eigentlich Beeindruckende der Kunsthalle ist das Konzept, das Direktorin Dr. Lorenz mit ihrem Team verantwortet. Unter dem Motto „OFFEN“ soll die Kunsthalle tatsächlich offen sein, in jeglicher Hinsicht. Offen für die Bürger, die von außen durch die großen einladenden Fenster in den Bau hineinschauen können, offen für die Besucher, die genau so wieder herausschauen können und einen wunderbaren Blick auf die Jugendstilarchtiektur am Friedrichplatz haben. Offen jedoch auch für alle Kunststile und -gattungen von Performance über Malerei bis zu Installationen. Die Kunsthalle soll eine Stadt in der Stadt sein, wo sich Menschen begegnen, sich austauschen, auch mal diskutieren und vor allem sich inspireren lassen.
Was nach Konzept klingt, ist der Kunsthalle Mannheim in einer wirklich beeindruckenden Art und Weise gelungen. Ich habe selten ein Museumshaus gesehen, in der die Offenheit in jedem Bereich so gelebt wird. Der Nebeneffekt: hier werden Konventionen gebrochen, die in der Kunstwelt sicherlich einige Empörungen auslösen werden.
Ein Eindruck, der mir beispielsweise nicht aus dem Kopf geht: Die Bildhauerin Rita McBride hat mit ihrer Arena beispielsweise eine Konstruktion erschaffen, die den kompletten Raum ausfüllt und so als Gegenspielerin zu Manets Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko funktioniert. Die übergroße ockergelbe Holzkonstruktion dominiert den Raum, sodass der Klassiker Manet fast klein und unscheinbar wirkt, gleichzeitig ist die Farbwelt der beiden Werke stimmig und Arena lädt als riesige Bank ein, vor Manet zu verweilen, ihn ausgiebig zu studieren. Diesen Mut haben nicht viele Kunsthäuser, da bin ich mir sicher.
So geht es nahezu in jedem Raum weiter, hier wird eine Konvention gebrochen und dadurch eine neue geschaffen. Ein Raum öffnet den Blick auf das Karl-Friedrich-Gymnasium und in den Abendstunden wird der Raum mit einem nahezu surrealen Licht der Abendsonne erfüllt. Normalerweise dominiert in Museen das künstliche Licht, in der Kunsthalle wird so viel wie möglich mit dem natürlichen Sonnenlicht gearbeitet. So auch im lichtdurchfluteten mehrstöckigem Atrium, dem Herz der Kunsthalle, der fast an einen Markplatz erinnert. Auch hier greift wieder das Konzept der bürgernahen Treffpunktes. Die Kunst kommt zum Bürger, der Bürger zur Kunst, alles Elitäre wird spätestens hier drinnen zwangsläufig abgestreift.
Ein weiteres persönliches Highlight: die Sonderausstellung des Fotografen Jeff Wall. Der kanadische Künstler ist dafür bekannt, alle Fotografien auf Leuchtkästen aufzuziehen, die so fast schon an digitale Werbetafeln erinnern. Als Betrachter alltäglicher Szenen erkennt man als Betrachter oft nicht, das viele Szenen von Wall selbst minutiös inszeniert wurden. Jedes Bild erzählt eine Geschichte und lässt viel Raum für Gedankenspiele und Spekulationen über die Geschichte hinter dem Foto.
Die Kunsthalle Mannheim hat nicht nur inhaltlich, sondern auch strategisch einiges erneuert. So kommt sie mit einer komplett durchdachten Digitalstrategie daher, die sich vor Häusern wie dem Städel oder Marta Herford nicht verstecken muss. Die App bildet hier das Herzstück, hier ist nicht nur ein kostenloser Audioguide enthalten, man kann sich Bilder vormerken, die man genauer studieren möchte und wer möchte, kann sich sogar einen personalisierten Laufplan für die Kunsthalle sowie einen persönlichen Museumskatalog erstellen und sogar ausdrucken. Im Atrium lädt die Collection Wall dazu ein, alle Werke der Sammlung via Touchscreen zu entdecken. Zuletzt runden zwei digitale Grafiktische das digitale Museum ab. Hier können Werke in Relation zueinander gestellt werden, außerdem gibt es eine Lupenfunktion und weiter Informationen zu Werk und Künstler.
Ein Museum schreibt Zukunft. Wir waren jedenfalls absolut begeistert und möchten auch nochmal persönlich unseren Hut vor so viel Ideenreichtum und Mut ziehen. Dies zeigt wieder einmal, dass Mannheim eine Stadt der Macher und Visionäre ist. Wir wünschen der Kunsthalle Mannheim ganz viel Spaß und Erfolg beim Grand Opening!
Fotos: Sebastian Weindel
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