Die Bar meines Vertrauens liegt etwas versteckt, am Rande des Jungbusch, wo es wesentlich ruhiger ist als in der Jungbuschstraße. Direkt gegenüber der Fabrik der Schokinag, die Mannheim an vielen Tagen im Jahr in den berühmten und oftmals beklagten Schokoduft hüllt, hat sich Paul Sieferle in einem ehemaligen Kaufmannsladen mit seiner Bar Sieferle niedergelassen. Zugegeben, hierhin verschlägt es einen eher nicht aus Zufall. Doch wer ins Sieferle geht, wird mit brillianten Drinks und einer einzigartigen Atmosphäre belohnt.
Gästen von Sieferle passiert es oft, dass sie an der Tür erstmal vorbeilaufen, so ging es auch mir bei meinem ersten Besuch. Die 1950er Jahre Fassade wirkt unaufgeregt: kein großes Fenster, kein Schild und auch sonst nichts weisen auf die Bar hin. Eine kleine Treppe führt zu einer Tür, daneben ist lediglich eine goldene Klingel. Wer hier klingelt, dem öffnet sich wortwörtlich die Tür zu einer ganz anderen Welt, denn hier öffnet das Barpersonal höchstpersönlich die Tür, nimmt die Jacken ab und kümmert sich um jeden einzelnen Gast.
Das Konzept von Sieferle ist an die amerikanischen Speakeasy-Bars zu den Zeiten der Prohibition im frühen 20. Jahrhundert angelegt. Weil Alkohol damals verboten war, wurden die Drinks in Hinterzimmern ausgeschenkt und verkauft. Wer Alkohol trinken wollte, musste klingeln oder klopfen, um hereingelassen zu werden. Ich verbinde das Klingeln und den freundlichen Empfang immer mit alten Filmen und fühle mich jedes Mal ein bisschen wie in eine entspannte, angenehmere Zeit versetzt.
Auch optisch erinnert mich die Bar an die Anfänge des 20. Jahrhunderts: es dominieren warme Brauntöne, die mit der Messing- und Kupferoptik der Bar und den grauen Steinwänden harmonieren. Das Herzstück bildet die Bar selbst, hier befinden sich die meisten Sitzplätze. In den Ecken gibt es bequeme Sitznischen aus Lederbänken, die Wänden dahinter sind mal aus rohem Backstein oder aus edlen schwarzen Steinplättchen. Insgesamt gibt es nur 25 Sitzplätze, wer also unbedingt einen Platz haben möchte, sollte per Telefon reservieren oder vor seinem Besuch anrufen und sich erkundigen, ob es noch Platz gibt.
Was die Drinks selbst angeht, liegt der Fokus auf klassischen Drinks. „Wir nehmen uns immer einen klassischen Drink und tauschen meistens eine Zutat aus. Wir haben vor allem viele Spirituosen da.“ erklärt mir Paul. Das Zepter hinter der Bar hat Jonas Stein inne, der ursprünglich im Schoellmann’s in Offenburg Barkeeper war. Die Barkarte im Sieferle wechselt regelmäßig, Klassiker wie Gin Tonic, Whisky Sour oder Negroni stehen natürlich immer auf dem Programm. Doch auch wer etwas Besonderes möchte, wird hier gerne und vor allem kompetent beraten.
Auf der Karte in Tattoo-Optik zur Zeit zum Beispiel „The Dude“: Rum, Kirsche, Grapefruit, Absinth und Limette, „High Top“: Gin, Kresse, Veilchen und Champagner oder „Razorfade“: Irish Whiskey, Rhabarber, Port und Enzian. Mein persönlicher Favorit ist der „Atomic Tonic“, eine leichte Abwandlung eines Gin Tonics und Tim empfiehlt den „Neckarvorland Sour“ für Whiskyliebhaber.
Die Drinks werden liebevoll angerichtet, jeder Drink verdient ein besonderes Glas oder Becher (mein Tipp: Drinks im Totenkopfbecher!). Hier stimmt wirklich jedes Detail, selbst die Karte ist aufwendig in Tattoo-Optik gestaltet. Zum Konzept der Bar gehört außerdem der Barber Shop von Marco Sailer, Deutschlands bestem Barbier 2016, der direkt nebenan liegt und mit Sieferle durch eine Tür verbunden ist. Auch dieses Konzept stammt aus den USA: während des Barber Shop Besuchs einen Whiskey genießen – das sei den Männern gegönnt.
Ausgezeichnete Drinks, eine entspannte Atmosphäre und gute Gespräche – das ist für mich die Essenz eines guten Abends. Genau das bietet Sieferle. In diesem Sinne: Cheers!
Fotos: Sebastian Weindel (www.sebastian-weindel.de)
ENGLISH VERSION: Sieferle Bar is surely one of the best bars in Mannheim. It’s hidden in the quiet part of Jungbusch, behind an unimposing facade. Kept in the style of a speakeasy bar with a barber shop next door, you have to ring the doorbell to be welcomed. It looks like in a stylish movie from the 1950ies inside and every detail is well-thought-out. The drinks itself are brilliant: classic but always with a personal twist. Be sure to reserve a table.
Achtung, Paul hat uns außerdem seine liebsten Bars in Deutschland verraten und sie sind alle nicht weit weg!:
1. One Trick Pony in Freiburg
2. Miad in Karlsruhe
3. Kinley in Frankfurt a.M.
4. Schumann’s Les Fleurs du Mal in München
Besucht die Website:
http://www.sieferleundsailer.de/
Sieferle
Neckarvorlandstraße 17A
68159 Mannheim
Telefon: 0621 44589434
E-Mail: sieferleundsailer@gmail.com
Öffnungszeiten:
Mo.-Sa.: 20.00-02.00 Uhr
Haltestellen: MVV-Hochhaus (Straba) oder Am Salzkai (Bus)
Straßenbahn: 2
Bus: 60